1. Wer ist der Gerichtsvollzieher?
Der Gerichtsvollzieher ist ein Justizbeamter, der seine Funktion freiberuflich ausübt. Anders formuliert: Er nimmt eine berufliche Doppelrolle wahr, indem er einerseits ein öffentliches Amt bekleidet, andererseits aber selbstständig tätig ist.
Da ihm der Staat einen Teil der öffentlichen Gewalt übertragen hat, bekleidet der Gerichtsvollzieher ein hoheitliches öffentliches Amt. Aus diesem Grund kann er ihm übertragene Aufgaben nicht ablehnen, es sei denn aus berufsethischen Gründen oder weil das Gesetz es vorschreibt – etwa bei Interessenkonflikten oder rechtswidrigen Anträgen. So wird der Gerichtsvollzieher auch nie auf eigene Initiative tätig, sondern stets auf Weisung von jemandem, der ihm einen förmlichen Auftrag erteilt hat. Bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben ist er jederzeit an eine Reihe rechtlicher Vorschriften gebunden.
Der Gerichtsvollzieher kann eine Vergütung für seine Einsätze verlangen, die seine Kosten ganz oder zum Teil deckt. Als Vertreter eines freien Berufs handelt der Gerichtsvollzieher selbstständig und unparteiisch. Er stellt seine berufliche Erfahrung und Kompetenz in den Dienst jedes Bürgers.
So bezieht er auch von behördlicher Seite weder ein Gehalt noch eine Aufwandsentschädigung noch sonstige Vorteile, sondern ist auf sich allein gestellt.
2. Was macht ein Gerichtsvollzieher?
Die Einsatzgebiete eines Gerichtsvollziehers lassen sich in zwei Hauptkategorien einteilen: „gerichtliche“ und „außergerichtliche“ Einsätze.
Bei diesen Einsätzen hat er vielfach die Pflicht, Sie darüber zu informieren, wie Sie Ihre Rechte ausüben können, und auf Ihre Fragen hinsichtlich seiner Aufgabe zu antworten.
Hierbei spielt es keine Rolle, ob Sie seine Dienste in Anspruch nehmen oder ihm als Schuldner gegenüberstehen.
a. Der außergerichtliche Einsatz
Zu den außergerichtlichen Einsätzen eines Gerichtsvollziehers zählen sämtliche Aufgaben, die dieser außerhalb eines Gerichtsverfahrens ausüben kann.
Nur in diesem Fall ist der Gerichtsvollzieher nicht verpflichtet, von Ihnen erteilten Aufträgen ohne Weiteres und ausnahmslos nachzukommen.
- Das außergerichtliche Mahnverfahren
Werden Schulden nicht fristgerecht beglichen, ist es möglich, einen Gerichtsvollzieher hinzuzuziehen.
Dieser wird versuchen, die Geldsumme auf gütlichem Weg einzutreiben.
Hierzu sendet er dem Schuldner ein gemeinhin als „Mahnung“ bezeichnetes Aufforderungsschreiben, in dem er ihn bittet, seine Schulden innerhalb einer bestimmten Frist zu begleichen.
Kommt der Schuldner dem nicht nach, so kann er vor Gericht geladen werden.
Beispiel:
Sie können einen Gerichtsvollzieher darum bitten, rückständige Mieten für Sie einzutreiben.
- Die Feststellung
Sie können auf einen Gerichtsvollzieher zurückgreifen, um einen Sachverhalt feststellen zu lassen.
Konkret wird der Gerichtsvollzieher dabei einen Ist-Zustand beschreiben, der in manchen Fällen freilich nur vorläufiger Art ist.
Der Gerichtsvollzieher ist lediglich befugt, das festzustellen, was er mit seinen Sinnen erfassen kann.
Er tritt somit nicht als Sachverständiger auf und kann auch weder Empfehlungen aussprechen noch Urteile fällen.
Der Gerichtsvollzieher muss so objektiv wie möglich bleiben und darf keinesfalls eine Untersuchung anstellen, ganz gleich in welcher Form.
Die Feststellung des Gerichtsvollziehers kann in einem anhängigen oder künftigen Verfahren, in Versicherungsangelegenheiten oder in Fällen,
in denen zur Änderung der bestehenden Situation dringende Maßnahmen ergriffen werden müssen, als Beweis herangezogen werden.
Beispiel:
-Sie können einen Gerichtsvollzieher damit beauftragen, ein Wohnungsübergabeprotokoll anzufertigen.
-Sie können einen Gerichtsvollzieher damit beauftragen, den Fortschritt eines Bauprojekts festzustellen.
-Sie können einen Gerichtsvollzieher damit beauftragen, Schäden infolge von Bauarbeiten oder Naturereignissen festzustellen.
Es kann auch vorkommen, dass der Gerichtsvollzieher von einem Richter damit beauftragt wird, ein Feststellungsprotokoll anzufertigen.
Beispiel:
Ein Gerichtsvollzieher kann von einem Richter dazu bestellt werden, Tatsachen festzustellen, die einen Ehebruchverdacht wider- oder belegen, und hierzu ein Protokoll anzufertigen.
b. Der gerichtliche Einsatz
Zu den gerichtlichen Einsätzen eines Gerichtsvollziehers zählen sämtliche Aufgaben, die dieser im Rahmen eines Gerichtsverfahrens wahrnehmen muss.
Aufträge dieser Art muss der Gerichtsvollzieher ausnahmslos wahrnehmen. Er kann seinen Einsatz von der Zahlung eines Vorschusses abhängig machen.
- Die Zustellung von Schriftstücken
Unter bestimmten Umständen muss der Gerichtsvollzieher Schriftstücke zustellen, das heißt einer bestimmten Person offiziell zur Kenntnis bringen.
Beispiele:
-Der Gerichtsvollzieher kann Personen vor Gericht laden, das heißt dazu auffordern, vor einem Richter zu erscheinen.
-Der Gerichtsvollzieher kann jemandem einen richterlichen Beschluss wie etwa ein Urteil oder eine Entscheidung mitteilen. Er stellt dem Empfänger eine Ausfertigung dieses Dokuments zu.
-Die Vollstreckung einer Entscheidung.
Kommt eine gerichtlich verurteilte Person der ergangenen Entscheidung willentlich nicht nach, so kann der Gerichtsvollzieher diese Partei dazu zwingen, dem Willen des Richters zu entsprechen – auf dem Wege der so genannten „Zwangsvollstreckung“. Ohne Vollstreckungstitel kann der Gerichtsvollzieher eine solche Vollstreckung nicht vornehmen. Eine gerichtliche Entscheidung stellt einen Vollstreckungstitel dar. Auch notarielle Urkunden können Vollstreckungstitel sein. Der Gerichtsvollzieher kann vollstrecken, was in diesen Schriftstücken angeordnet ist.
Auch die Steuerbehörde kann sich eigene Vollstreckungstitel ausstellen (zwecks so genannter „Zwangsbeitreibung“).
Der Gerichtsvollzieher tritt damit in die Rolle des Eintreibers von Steuerschulden.
Gerichtliche Entscheidungen verurteilen nicht in allen Fällen zur Zahlung von Geldbeträgen, sondern können die verurteilte Partei auch dazu verpflichten, etwas zu tun. Kommt diese Partei der entsprechenden Verpflichtung nicht nach, so erfüllt sie an ihrer Stelle der Gerichtsvollzieher, sofern er mit der Vollstreckung der Entscheidung beauftragt wurde.
Die Mehrkosten trägt hierbei die verurteile Partei, insbesondere dann, wenn die Verpflichtung den Einsatz von Dritten vorsieht.
Beispiel:
Jemand wird per Gerichtsentscheidung dazu verurteilt, die Zweige der Bäume seines Gartens zu schneiden, die in das Nachbargrundstück hineinragen. Kommt die zum Beschneiden der Bäume verurteilte Partei dem nicht nach, so kann sich der Nachbar an einen Gerichtsvollzieher wenden, damit dieser das Urteil vollstreckt.
Dabei steht es dem Gerichtsvollzieher unter anderem frei, einen Fachmann (Holzfäller etc.) hinzuzuziehen, der die fraglichen Bäume unter seiner Aufsicht und Anleitung stutzt.
Entscheidungen wie im vorangehenden Beispiel zu vollstrecken, ist nicht nur gesetzlich begründet, sondern findet sich auch in der „Vollstreckungsklausel“ wieder, die unter jeder gerichtlichen Entscheidung vermerkt ist und mit folgenden Worten beginnt: „Wir beauftragen und verpflichten alle Gerichtsvollzieher, die (das, den) vorliegende(-n) Entscheidung, Urteil, Verfügung, Auftrag oder Titel zu vollstrecken.“
An diese Klausel schließt sich darüber hinaus der Hinweis an, dass die Generalprokuratoren und die Prokuratoren des Königs eine Aufsichtsfunktion haben und sicherstellen müssen, dass dem Gerichtsvollzieher jegliche Hilfe zukommt, die für eine wirksame Vollstreckung erforderlich ist.
Die Vollstreckung kann auch in Form einer „tatsächlichen Vollstreckung“ erfolgen, bei welcher der Gerichtsvollzieher das Urteil direkt vollstreckt.
Beispiele:
-Der Gerichtsvollzieher kann Hausbesetzer zur Räumung eines Gebäudes zwingen.
-Der Gerichtsvollzieher kann Kindeswegnahmen durchführen, falls das elterliche Sorgerecht ausgesetzt oder einem Elternteil der persönliche Umgang mit den Kindern untersagt wurde.
Der Gerichtsvollzieher kann auch bewegliche oder unbewegliche Güter beschlagnahmen.
Hierbei kann es sich um Sicherungspfändungen oder Zwangsvollstreckungen handeln. Im Fall einer Sicherungspfändung müssen alle vom Gerichtsvollzieher in der Pfändungsurkunde vermerkten Güter zunächst aufbewahrt werden. Eine solche Pfändung bleibt drei Jahre lang wirksam.
Nur bei einer Zwangsvollstreckung und sofern die Schuld nicht vollständig beglichen wurde, kann der Gerichtsvollzieher die vermerkten Gegenstände an sich nehmen und versteigern. Der Erlös aus einer solchen Versteigerung wird anschließend gemäß den gesetzlichen Vorschriften unter den Gläubigern aufgeteilt.
Es kann auch eine Drittpfändung ergehen. Konkret hat hierbei der Schuldner, der Ihnen einen Geldbetrag oder eine Sache schuldet, dem Gerichtsvollzieher alles zu übergeben, was nicht durch das Gesetz geschützt ist.
Der Pfändungserlös wird auch hier gemäß den gesetzlichen Bestimmungen zwischen den Gläubigern aufgeteilt.
Beispiel:
Auf Ersuchen eines Gläubigers kann sich der Gerichtsvollzieher an den Arbeitgeber des Schuldners wenden und den Teil von dessen Gehalt beschlagnahmen, der über der Pfändungsfreigrenze liegt.
Der Arbeitgeber hat nun die Pflicht, den pfändbaren Gehaltsanteil direkt dem Gerichtsvollzieher auszuhändigen.
Im Einvernehmen mit seinem Mandanten muss der Gerichtsvollzieher bei der Erfüllung eines Auftrags stets versuchen, die Vorgehensweise anzuwenden, die den größten Erfolg verspricht.
Je nach Einzelfall wird er dabei den Umfang und die Natur des Vermögens der verurteilten Person berücksichtigen.
Parallel zum Pfändungsverfahren wird der Gerichtsvollzieher alle in seiner Macht stehenden Mittel ergreifen, um trotz allem eine gütliche Einigung zu erzielen (etwa auf dem Weg einer Ratenzahlung, Fristverlängerung o. Ä.). Schlagen diese Versuche fehl, so muss der Gerichtsvollzieher der Pfändung eine endgültige Wirkung verleihen. Dies kann dazu führen, dass die beschlagnahmten unbeweglichen (unter Hinzuziehung eines Notars) oder (in seltenen Fällen) beweglichen Güter verkauft werden.
3. Was kostet der Einsatz eines Gerichtsvollziehers?
Die mit dem Einsatz eines Gerichtsvollziehers verbundenen Kosten werden gesetzlich per königlichem Erlass festgelegt (und jährlich indexiert).
So entspricht jede Rechtshandlung eines Gerichtsvollziehers einem bekannten oder leicht ermittelbaren Betrag. Die Einsatzkosten hängen jeweils von den erforderlichen Maßnahmen und der Komplexität des Sachverhalts ab. Immer ist der Gerichtsvollzieher streng an den gesetzlichen Tarif gebunden: Er darf keinen höheren als den vorgesehen Betrag verlangen, aber auch keine Preisnachlässe gewähren.
Dieser an den Gerichtsvollzieher gezahlte Betrag entspricht somit einer Vergütung für die geleistete Arbeit.
Tatsächlich wird der Gerichtsvollzieher nicht vom belgischen Staat bezahlt, da er sein Amt selbstständig ausübt.
Zu diesen Einsatzkosten können jedoch noch verschiedene indirekte Gebühren hinzukommen (z. B. Registrierungsgebühren, Schreibgebühren, etc.), die darauf abzielen, die Funktionsweise des Rechtswesens zu verbessern. Hieran liegt es, dass die mit dem Einsatz eines Gerichtsvollziehers verbundenen Gesamtkosten meist über dessen reiner Vergütung liegen.
Wer einen Gerichtsvollzieher bestellt, muss in den meisten Fällen für die Kosten aufkommen (wie oben angemerkt, kann dieser eine Vorauszahlung verlangen). Anschließend wird er versuchen, die ausgelegten Kosten beim Schuldner einzutreiben. Nur dann, wenn der Gerichtsvollzieher persönliche Sonderleistungen für Sie erbringt, die nicht zu seinen gesetzlichen Pflichten zählen, kommen Sie für sämtliche Kosten selbst auf.
Um die Verfahrenskosten so niedrig wie möglich zu halten, empfiehlt es sich, bei der Einschaltung eines Gerichtsvollziehers zunächst eine gütliche Einigung anzustreben (z. B. über ein außergerichtliches Mahnverfahren, siehe unter 2.), und erst dann rechtliche Schritte zu ergreifen, wenn dieser Versuch nicht fruchtet.
Sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner sparen Kosten, wenn sie sich gütlich einigen.
4. Wo finde ich einen Gerichtsvollzieher?
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